ÖGHM Tarentula 2
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Patientin, 40 Jahre

15.11.1996: Patientin, 40 Jahre; dunkle Haare, dunkle Augen, schlank, drahtig. Keine Kinder.

Temperamentvolle, ausdrucksstarke Persönlichkeit. Viele Ringe an den Fingern.
Auffällige Erscheinung. Große Schluckprobleme, kann keine festen Speisen essen,
bekommt dann panische Erstickungsangst. Hat dann das Gefühl, daß der Bissen nicht hinunterwandert,
sondern hinauf, in den Epipharynx. Das Ganze war vor ca. 10 Jahren aufgetreten, plötzlich,
als sie sich gerade über einen Schweinsbraten hermachte.
Seitdem hat sie große Angst vor der Nahrungsaufnahme. Ernährt sich nur von weicher Nahrung, Pürree, Suppen etc.
Vor dem Essen braucht sie 22 Tropfen Psychopax. Die Erstickungsangst kann aber auch isoliert auftreten,
vor allem in der Nacht aus dem Schlaf heraus, verbunden mit starkem Herzklopfen,
weshalb sie öfters den Notarzt braucht. Damals hat sie auch Drogen genommen und viel Alkohol getrunken,
seit sieben Jahren aber ist sie sauber.
Verheiratet seit 20 Jahren, hatte aber daneben einen Freund, der sie brutal behandelte,
und der sie oft zu Unrecht beschuldigte. Eine Situation, die sie auch aus ihrer Kindheit kannte;
der Vater war sehr brutal gewesen, er hatte die Mutter und den Bruder geschlagen,
und sie mußte dabei zusehen.
Hunger hatte sie damals viel gelitten. Mit 15 Jahren war sie schwanger geworden
(ihre Mutter war damals auch schwanger), es wurde ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen.
Als Kind war sie mit der Schere auf der Wiese gesessen und hatte den Schnecken
die Fühler abgeschnitten, was ihr gefallen hatte. Gelogen hat sie früher wie wild, sie hat die Leute gern angeschwindelt.
Beschreibt sich als ungeduldig, nervös, Kleinigkeiten nerven sie. Wind macht sie zornig. Gern unterwegs,
vor allem in der Nacht. Braucht viel Schlaf, liegt bis zu Mittag im dunklen Zimmer, das Tageslicht mag sie nicht.
Die Vorhänge in ihrer Wohnung hat sie seit vierzehn Jahren nicht mehr weggezogen.
Sehr gerne tanzen, da ist sie in ihrer eigenen Welt. Extrem gerne hört sie laute Musik; da kann es sein,
daß sie im Auto sitzt und sich dröhnende Rockmusik anhört. Früher hat sie viel auf Messen gearbeitet,
wo sie Küchengeräte vorführte; sie mußte damals viel schreien, um die Aufmerksamkeit der Passanten
zu erhalten, und sie mußte noch lauter schreien, um die Konkurrenten von den Nachbarständen auszustechen,
was ihr auch gelang. Sie wollte die Beste sein, und sie verkaufte auch am meisten.
Als Kleinkind schnelle Entwicklung, sauber war sie mit 11 Monaten. Früher viel Angst gehabt vor dem Vater,
Angst auch vor Prüfungen verbunden mit Herzklopfen und Durchfall. Redet viel.

In der Familie viel Tuberkulose. Raucherin. Kopfschmerzen beim Wechsel von warm zu kalt, vor allem
Scheitel bds, als ob das Gehirn keinen Platz hätte, drückend, besser nach Schlaf.
Linkes Ohr oft verschlagen. Halsschmerzen öfter, brennend. Beim Schluckakt wurde ein
Ösophagusdivertikel festgestellt, das aber nicht operationsbedürftig ist und ihre Beschwerden
nicht erklärt. Kreuzschmerzen stechend im Lumbalbereich, wird oft munter davon um
4 Uhr morgens, das Atmen ist schmerzhaft, besser beim Aufsetzen. Nachtschweiß an Hals,
Nacken, und zwischen Brust, wird manchmal munter davon.
Sehr verfroren. Magenschmerzen oft krampfartig, meist tagsüber von 12–15 Uhr.
Kein Hungergefühl, braucht oft tagelang nichts zu essen, kein Sättigungsgefühl.
Gern süß. Aversion Obst. Durst viel auf sehr kaltes Wasser, früher oft nach
Mitternacht erwacht von Durst. Blähungen von Knoblauch, oft Bauchschmerzen.

Mensesschmerzen stark 1–2 Tage vor der Regel bds. inguinal und sacral.
Beginn der Schmerzen ca. um 10 Uhr. Nimmt dann Voltaren. Blutung braun wie Kot mit
dunklen Klumpen. Brustschmerz eine Woche vor der Regel. Grantig, sensibel, weinen einen
Tag vor der Regel. 1979 Unterleibsoperation, dabei wurden ein Eierstock sowie fibröse
Wucherungen und Zysten entfernt. Menarche mit 13. Hatte zweimal Gonorrhoe,
einige Male wurden Trichomonaden und Pilze festgestellt. Milchiger Ausfluß vor der Regel.
Sexuelles Verlangen derzeit vermindert, empfindet sich als total frigide, Orgasmus mit einem Mann nie.
Hämorrhoiden traubenförmig, bei Stuhlgang oft nach außen verlagert. In letzter Zeit sechsmal grippalen
Infekt gehabt; dabei Fieber bis 39°, Beinschmerzen, ist dann sehr unruhig, oft Lagewechsel.

Hinweise auf Tatantula hispanica:
Furcht zu Essen
Musik bessert
Tanzen
Täuschen, betrügen
Aversion gegen Licht
Durst auf kalte Getränke

Klammert man sich hier zu stark an das Repertorium, so wird man um einige Kopfschmerzen
nicht herumkommen. Unter „Furcht vor Ersticken" findet sich hier kein Tarantula;
die Erstickungsangst dieser Arznei erwähnt aber Sankaran in seinem 1997 erschienen Buch
„The Soul of Remedies". Eine sehr gute Darstellung von Tarantula findet man in der Arzneimittellehre
von Kent. Er erwähnt auch das „Constrictionsgefühl beim Schlucken", und auch, daß nach
Tarantelstichen bei Frauen fibroide Tumoren im Leib und in der Gebärmutter gefunden wurden.

Sonst läßt einen auch bei den sehr markanten Schluckstörungen das Repertorium im Stich.
In der Rubrik „Schlucken erschwert" findet sich Tarantula einwertig unter mehr als 150 Mitteln.
Unter „Schlucken erschwert, feste Speisen" findet sich die Arznei nicht, auch nicht unter „Schlucken behindert,
kann nur Flüssigkeiten trinken, die geringste feste Nahrung würgt." Vergeblich sucht man die Arznei
auch unter „Menses braun", „Erwachen von Durst", „Durst nachts", „Herzklopfen mit Angst" etc.

Therapie: Tarantula hispanica M (Retz, Brunner)

In einer der darauffolgenden Nächte braucht sie den Notarzt wegen Erstickungsangst.
Bei einem zufälligen Zusammentreffen 14 Tage später sagt sie mir nur, daß es ihr schlechter geht als vorher.

9.4.1997: Die panische Erstickungsangst ist weg. Kann auch feste Speisen essen,
aber nur mit Psychopax und nicht ohne starke Schluckprobleme. Das Kreuzweh in der Früh ist weg,
das li. Ohr nicht mehr verschlagen. Sie fühlt sich etwas ruhiger, Musik will sie nicht mehr ganz so laut hören.
Die Vergangenheit ist etwas weiter entfernt, mit den Gefühlen geht es auf und ab.
Die Regelblutung ist stärker geworden. Starkes Herzklopfen bei Anstrengung. Hat 2 kg zugenommen.
Hat zweimal Schnupfen gehabt, und sich dabei nicht schlecht gefühlt. (Den letzten Schnupfen hatte sie vor vielen Jahren).
Liegt immer noch stundenlang im Dunkeln. Dennoch sagt sie: „Mein Käfig ist größer geworden".

Therapie: Tarantula hisp. M (2. Gabe)

10.2.1998: Starker Blähbauch, Bauchschmerzen, Kreuzschmerzen; keine Winde. Schmerzen wandern im Bauch.
Oft tagelang kein Stuhl. Bauch ist sehr quälend. Starkes Schwitzen in der Nacht an Nacken und oberen Thorax
jetzt wieder seit zwei Wochen. Oft noch Gefühl, hinaufzuschlucken, kann aber auch mal 14 Tage komplett weg sein.
Knödel im Hals noch vorhanden. (Dieser festsitzende Knödel im Hals war mir bis jetzt entgangen).
Rastlos, nervös, keine Lebensfreude. Zorn, Selbstmitleid, Aggression, Zerstörungswut, boshaft.

Therapie: Tarantula his. M (3. Gabe)

2.9.98: Hartnäckige Verstopfung; nichts helfe. Die letzte Gabe zeigte keine besondere Wirkung mehr.
Wird munter mit Bauchschmerzen. Bauchweh stark in Zyklusmitte. Oft eine Woche keinen Stuhl.
Besserung in Knie-Ellenbogenlage. Vor der Regel Brust extrem schmerzhaft. Sie hat mit dem Rauchen aufgehört.
Mit dem Essen geht es ihr ganz gut, aber Psychopax braucht sie immer noch.
Wieder Nachtschweiße. „Als ob im Bauch alles lose wäre". Grantig, unausstehlich, nichts passe ihr, pedantisch,
jedes Krümel am Fußboden störe sie; der Ehemann hat wenig zu lachen in diesen Tagen. 

Therapie: Tarantula his. XM (Homeoden)

Einige Tage später Anruf: Extreme Stimmungsschwankungen, Hoch- und Tiefphasen wechseln alle fünf Minuten,
manchmal glaube sie überzuschnappen.

15.10.1998: Die Bauchprobleme waren fünf Tage nach der Einnahme weg, dzt. gutes Befinden.
Stuhl jeden 3. Tag. Energie sehr gut. Wieder ca. 2 kg Gewicht zugenommen.
Mitte September war sie beim Gynäkologen: Myom, Durchmesser 6 cm. Wiederbegutachtung im Dezember.

Therapie: keine

Für Spannung sorgten dann auch noch die gynäkologischen Befunde der Patientin.

Am 18.12.1998 stellte der Gynäkologe ein Wachstum des Myoms fest, Durchmesser jetzt sieben Zentimeter.
Am nächsten Tag in einem Wiener Spital wurde das Myom bestätigt, Durchmesser jetzt fünf Zentimeter.
Man müsse operieren, ein Operationstermin für Mitte Jänner wurde vereinbart, Reverse unterschrieben etc.
Anfangs Jänner 1999 aber bei einer Wiener Gynäkologin: Normalbefund, kein Myom.
Ca. eine Woche später an der gynäkologischen Ambulanz eines anderen Wiener Spitals: Myom der Vorderwand,
Durchmesser zwei Zentimeter, keineswegs operationsbedürftig. Es wurde schon erwähnt, daß die Patientin
überaus temperamentvoll ist, und so soll ihr Kommentar hier lieber nicht wiedergegeben werden.

19.1.99. Psychisches Befinden sehr gut. Hat in letzter Zeit oft Pizza gegessen, ohne Psychopax. Bauch geringe Probleme,
Stuhl täglich. Keine Angstzustände mehr. Erlebt sich als harmonisch. Auch mit der Dunkelheit hat sie`s nicht mehr so stark:
Von einem Fenster zieht sie immerhin schon den Vorhang weg. Nachtschweiße weg, Herzklopfen weg. Mensesblutung eher verstärkt.

Therapie: zuwarten

24.3.99: Gutes Befinden. Keinerlei Schluckprobleme mehr. Etwas vermehrt Bauchschmerzen,
da sie viel und alles ißt. Keine Angstzustände mehr.

Therapie: zuwarten.

Kommentar: An den widersprüchlichen Myombefunden halte ich die Gynäkologen für relativ unschuldig,
was ich auch der Patientin gesagt habe. Durch die Hochpotenz war einfach Bewegung in die Pathologie
gekommen; vielleicht hatte sich um den Tumor herum ein entzündlicher Randsaum oder ein Ödem gebildet,
wodurch die Größenschwankungen leichter erklärbar wären. Wie lange das Myom schon bestanden hat,
läßt sich nicht eruieren, denn die Jahre zuvor war nie eine Ultraschalluntersuchung gemacht worden.
Interessant ist hier auch die Besserung der Bauchsymptomatik bei gleichzeitiger Verschlechterung
der Gemütssymptome nach der XM-Potenz, wobei scheinbar ein Widerspruch zur Heringschen Regel besteht.
Aber die Gemütssymptome, die auftraten, waren alte Symptome und Seinszustände,
Gefühle, die sie als Kind oft hatte; außerdem entspricht die Wiederkehr alter Symptome der dritten Heringschen Regel.
Ein somatisierter Konflikt war freigesetzt worden.

Literatur:
Barthel H./Klunker W.: Synthetic Repertory. Second Edition, IBPS, New Delhi 1984
Kents Arzneimittelbilder, 8. Auflage, Haug, Heidelberg 1990
Kents Repertorium. Hrsg. G. v. Keller. Haug, Heidelberg 1979
Künzli J.: Kent`s Repertorium Generale, B. Jain Publishers Ltd., New Delhi 1987
Phatak: Materia Medica. IBPS, New Delhi 1982
Sankaran R.: The Soul of Remedies. Homoepathic Medical Publishers, Bombay 1997
Zandvoort, Roger van: The Complete Repertory. Leidschendam 1994-1996

 

 

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