Zurück zur Homepage
Zurück zur Homöopathie-Seite

Arznei des Monats

- erstellt von Maria Steinbeck, Eschenbach (vgl. Literaturliste unten)

 

Mercurius

Die Arzneimittelprüfung des Quecksilbers wurde mit Mercurius vivus und Mercurius solubilis durchgeführt, die im Grunde zwei verschiedene Darstellungsformen des gleichen Elementes sind, sich aber nur so wenig unterscheiden, daß man praktisch keinen Unterschied zu machen braucht.

Mercurius besitzt ein breites Wirkungsspektrum. Liest man das Arzneimittelbild, so wird man mit einer großen Anzahl von Symptomen konfrontiert. Trotzdem zieht sich durch das gesamte Mittelbild ein roter Faden. Die Grundidee ist etwa folgende: Mangel an Reaktionskraft in Verbindung mit instabiler oder unzureichender Funktionsfähigkeit.

Leitsymptome

Gemütssymptome - Konstitution

Die mangelnde Abwehrkraft führt beim Mercurius-Patienten zu einer allgemeinen Empfindlichkeit. Fast alles macht seinen Zustand schlimmer, kaum etwas besser. Durch Hitze, Kälte, nasses Wetter, Wetterwechsel, Bettwärme, Schweiße, Anstrengung, verschiedene Speisen wird sein Wohlbefinden gestört. Jeder Organismus besitzt ein Abwehrsystem, das ihn gegen Umwelteinflüsse schützt. Bei Mercurius fehlt es an Stabilität. Der Patient nimmt alle Reize auf, ohne angemessen reagieren zu können, und er wird dadurch krank. Er hat nur eine geringe Toleranzbreite gegenüber allen störenden Einflüssen. Seine Unverträglichkeit von Hitze und Kälte offenbart die Instabilität. Er wird als "lebendes Thermometer" bezeichnet. Erst macht ihm die Kälte zu schaffen, und er sucht nach Wärme. Ist ihm warm geworden, verschlimmert die Wärme, vor allem die Bettwärme. Das trifft nicht nur im Fieber zu, sondern auch für den chronischen Fall.

Die Instabilität, die Funktionsunfähigkeit läßt sich leicht vom physikalischen Aspekt des Quecksilbers her begreifen. Es fließt wie eine Flüssigkeit und behält doch in gewisser Weise wie ein fester Körper seine Form (beim zerbrochenem Fieberthermometer festzustellen).

Die Schwäche von Mercurius entspricht nicht der von anderen Mitteln. z.B. Arsenicum.

Die Kälteempfindlichkeit wird durch Wärme, vor allem Bettwärme gebessert. Seine Unruhe und Angst werden durch Bettruhe schlimmer. Es treibt ihn deswegen nachts aus dem Bett.

Der Zustand von Mercurius verschlimmert sich in Bettwärme, aber Bettruhe tut ihm gut.

Die Reaktionsschwäche tritt bei Mercurius nicht plötzlich auf. Es beginnt schleichend, so daß der Patient seine gesteigerte Empfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen kaum wahrnimmt. Er betrachtet seine Symptome als normal. Er hat gelernt, sich innerhalb einer geringen Toleranzbreite zu bewegen.

Die Entwicklung der Krankheit auf geistiger Ebene verläuft in drei Stufen.

Als erstes macht sich die geistige Verlangsamung bemerkbar. Der Patient antwortet langsam, er begreift langsam, was geschieht und wonach man ihn fragt. Mercurius gehört aber auch zu den eiligen, ruhelosen Mitteln. Der Kranke schafft aber nichts in seiner Eile. Er braucht viel mehr Zeit für eine Tätigkeit als üblich. Auch Mittel wie Acidum sulfuricum, Nux vomica oder Natrium muriaticum können von krankhafter Eile geprägt sein. Sie bleiben dennoch effektiv und leistungsfähig.

Das zweite Stadium ist durch Impulsivität gekennzeichnet. Auf Grund seiner großen Empfindlichkeit gegen äußere und innere Einflüsse ist er unfähig, sich zu konzentrieren. Er läßt sich von Gedanken und Ideen, die auf ihn einströmen, ablenken. Schuld daran ist die geistige Funktionsschwäche, die mit fortschreitender Krankheit weiter zunimmt. Schließlich wird der Patient empfänglich für jegliche Art von Impulsen, wie z.B. zu schlagen, Gegenstände zu zertrümmern oder zu töten, wenn er ein Messer sieht. (Nur Mercurius, Nux vomica und Platinum sind im Repertorium für diesen Impuls bekannt.)

Der Patient erzählt natürlich nicht offen von diesen Dingen. Er verspürt sie zwar, hat sich aber unter Kontrolle. Dabei ist er verschlossen, antwortet nur langsam und spricht nicht gern über seine Gefühle. Er weiß um die Schwierigkeiten, die ihm daraus erwachsen können. So versteckt er die Empfindlichkeit in seinem Inneren und läßt nichts an die Öffentlichkeit. Er muß viel Energie aufwenden, um sich unter Kontrolle zu halten, ist er doch sehr verletzlich und empfindlich.

Schreitet die Krankheit ins dritte Stadium fort, so münden die geistige Funktionsschwäche, die Verständnisschwierigkeiten und die Empfindlichkeit in einen paranoiden Zustand. Der schwächliche Kontrollmechanismus konnte sich nicht durchsetzen, so daß der Patient jeden als seinen Feind ansieht, gegen den er sich verteidigen muß. Er ist nicht wirklich verrückt, aber er fühlt, daß er es werden könnte. Die Furcht vor Geisteskrankheit befällt ihn vor allem nachts. Im Endstadium der geistigen Störung werden alle Reize aufgenommen, aber nicht mehr verstanden.

Unverträglichkeit von Kälte und Wärme

Der Mercur-Patient reagiert außerordentlich empfindlich auf Kälte. Er fröstelt im Freien und hat ein Gefühl, als ob er mit Eiswasser übergossen wäre. Wenn er etwas Kaltes berührt, schaudert er, und dies kann Schmerzen im Bauchraum hervorrufen. Der Frost von Mercur ist etwas eigenartig. Es ist kein Schüttelfrost, sondern es handelt sich um ein frösteliges Überlaufen, ein Schaudern über den ganzen Körper, welches mit Hitze abwechselt. Es besteht auch eine kriechende Kälte in den betroffenen Drüsen, in den geschwollenen Gelenken oder in den Teilen, die vor einer Eiterung stehen. Alle Schmerzen sind bei kaltem Wetter schlimmer. Er bekommt ständig eine Erkältung, und diese setzt sich gewöhnlich im Hals fest.

Anderseits verschlimmern sich seine Beschwerden ausgeprägt durch Wärme, besonders strahelnde. Warme wie auch kalte Anwendungen vermehren seine Schmerzen im Kopf, in den Zähnen, im Gesicht, in den schmerzenden Gelenken und auch an anderen Stellen. Die Körperwärme, die unter einer Decke entsteht (Bettwärme), verschlimmert alle Symptome, besonders die reißenden, nagenden, bohrenden Knochenschmerzen und das Brennen und Jucken der Haut. Doch wenn er sich entblößt, fröstelt er.

Auf Feuchtigkeit und nasses Wetter ist er ebenso empfindlich. Schnupfen, entzündliche Zustände der Augen, Neuralgien, Arthritis, Durchfall und viele andere Beschwerden werden durch feuchte Luft oder Wechsel von trockenem zu nassem Wetter verursacht oder verschlimmert. Sogar seine Vergeßlichkeit kann an feuchten Tagen schlimmer sein und sich bessern, wenn die Sonne scheint.

Schweiß erleichtert nicht

Schwitzen ist ein konstantes Mercur-Symptom. Der Schweiß ist gewöhnlich reichlich, stinkt und ist manchmal ölig. Er ist schwächend, wird durch leichte Anstregung hervorgerufen und begleitet häufig alle Beschwerden des Patienten. Eigentümlich ist, daß er nicht erleichtert. Tatsächlich fühlt sich der Patient schlechter, je mehr er schwitzt. Dieser Zustand kann bei fast jeder Krankheit beobachet werden: bei Halsentzündung, Bronchitis, Lungenentzündung, Rippenfellentzündung, Bauchfellentzündung, Abszessen, Rheuma usw. Wo dieses starke und anhaltende Schwitzen ohne Erleichterung vorhanden ist, ist Mercur das erste Mittel, an das man denken muß.

Mercur- Geruch

Stinkenden Geruch finden wir bei vielen Mitteln. Der Sulfur-Patient riecht, wie wenn er wochenlang nicht gebadet hätte; das Calcium-Baby riecht sauer; der Geruch des Mercur-Patient ist eigentümlich und schwierig zu beschreiben, aber man kann sich leicht an ihn erinnern. Es ist der Geruch von totem Gewebe. Der Atem riecht ekelhaft und durchdringt das ganze Zimmer. Der Speichel hat einen kupfernen Geschmack und einen stinkenden Geruch. Der Schweiß riecht süßlich. Urin, Stuhl, Ausfluß, Absonderungen aus Abszessen oder Geschwüren, alles stinkt abscheulich.

Speichelfluß, Zunge, Zahneindrücke

Obwohl reichlicher Speichelfluß besteht, wird der Mund trocken empfunden und der Patient hat Durst auf große Mengen kalten Wassers. Der Speichelfluß kann so stark sein, daß er nachts aus dem Mund fließt und auf das Kopfkissen tropft. Das Zahnfleisch ist geschwollen, schwammig und blutet leicht.

Die Zunge hat eine mehlige Oberfläche (auch Landkartenzunge), ist schlaff und blaß. Da sie geschwollen ist wie ein Schwamm, drückt sie von innen gegen die Zähne und bekommt so die bekannten Zahneindrücke.

Schwäche und Zittern

Manchmal beschränkt sich die Wirkung von Mercur auf das Nervensystem. Die erste Folge davon ist das Zittern der Hände, der Gesichtsmuskeln und der Zunge. Das Schreiben, Sprechen und Essen ist dadurch beeinträchtigt. Allmählich wird es stärker, es erstreckt sich auf die unteren Extremitäten und es entsteht das Bild der Schüttellähmung. Zuerst kann es noch willentlich unterdrückt werden, später nicht mehr. Ebenso wie das Zittern bei multipler Sklerose wird das mercurielle Zittern durch bewußt-willkürliche Bewegungen und durch psychische Erregungen verschlimmert. In der Ruhe läßt das Zittern beträchtlich nach und kann im Schlafe sagar völlig verschwinden.

Eiterungen, Geschwüre, Abszesse

Wie Hepar sulfuris und Silicea gehört auch Mercurius zu den Mitteln, die bei Eiterungen und Abszessen Anwendung finden. Alle müssen auf Grund der Modalitäten unterschieden werden. Der Eiter von Mercur bildet sich rasch, reichlich, ist flüssig und stinkt sehr. Die Geschwüre bleiben an der Oberfläche und gehen nicht in die Tiefe wie die von Kali- bi. Bei eitrigen Mandeln wird ein kaltes Getränk vorgezogen. Näheres bitte in der Hausapotheke nachlesen.

Mercurius und Silicea verhalten sich feindlich zueinander. Werden beide Mittel nacheinander gegeben, verschlimmert sich der Zustand erheblich. In solchen Fällen bringt Hepar sulfuris als Zwischengabe die Dinge wieder in Ordnung. Also Vorsicht!!!

Zusammenfassung der körperlichen Symptome

Mercurius bietet ein klassisches Beispiel für das Fortschreiten der Krankheit auf geistiger sowie auf körperlicher Ebene. Obwohl alle Organsysteme betroffen sein können, wirkt es doch besonders auf Haut und Schleimhaut, auf das Rückenmark und das Gehirn.

Die Schwäche des Abwehrorganismus und die Instabilität des Körpers machen einige typischen Mercursymptome deutlich. Schweiße, vor allem nachts, die nicht erleichtern. Der Schweiß ist reichlich, sauer oder riecht süßlich und färbt die Wäsche gelb. Schwitzen ist eine normale Funktion. Wegen der Überempfindlichkeit führt bei Merc schon der geringste Anlaß zu Schweißausbrüchen. Eine überschießende Reaktion auf einen kleinen Reiz.

Verschlechterung durch unterdrückte Absonderung. Bei Mercurius lassen sich die Absonderungen leicht durch schulmedizinische Behandlung unterdrücken. Ein gesunder Abwehrmechanismus hätte die Kraft, die Ausscheidung in gleicher oder einer anderen Form in Gang zu bringen. Das Mercurius-System nimmt den krankmachenden Einfluß in sich auf, wodurch die Krankheit auf eine tiefere Ebene fortschreiten kann.

Neigung zu chronischen Eiterung. Die Abwehrkraft ist einfach zu schwach, um die Infektion zu überwinden. Auf Haut und Schleimhaut kommt es zu Geschwürsbildung. Schreitet die Krankheit fort, zerfällt das Gewebe mit fäulnisartigem Geruch. Am deutlichsten wird das im Mund. Das Zahnfleisch schwindet, die Zähne lockern sich, es bilden sich Eitertaschen und widerlicher Mundgeruch. Dieser ekelhafte Geruch ist typisch für Mercurius und das Ergebnis des Gewebezerfalls. Die Zunge ist dick, groß, schlaff und zeigt Zahneindrücke.

Der Magen gerät durch alle möglichen Einflüsse durcheinander, und fast jede Magenstörung führt zu übermäßigem Speichelfluß. Der Mund ist feucht mit schmierigem Speichel der metallisch, kupferig schmeckt. Es besteht großer Durst. Der Speichelfluß kann Tag und Nacht auftreten. Nachts ist er aber wesentlich stärker. Der Speichel rinnt auf das Kopfkissen.

In kleinen Dosen ist Mercur ein gutes Mittel bei träger Leberfunktion, wenn die ungenügende Gallensekretion durch farblose, seltene, stinkende Stühle und Appetitlosigkeit zu Tage tritt. Die Leber ist schmerzhaft, und der Kranke kann nicht auf der rechten Seite liegen.

Der Stuhl kann schleimig und blutig sein. Begleitet wird er von krampfartigen Schmerzen davor und auch danach, mit einem Gefühl "nicht fertig zu sein".

Die Krankheit schreitet von Haut und Schleimhaut in Richtung Zentralnervensystem und Gehirn fort. Sie ergreift das periphere Nervensystem und das Rückenmark. Verursacht wird ein Zittern, das besonders die Hände befällt (oft als Parkinson'scher Tremor diagnostiziert). Der Patient hat Mühe zu gehen oder sich zu betätigen. Die Schwäche, die so leicht in das System vordringen kann, macht schließlich normale Funktionen unmöglich.

Zusammenfassend läßt sich sagen: Mercurius wirkt auf das lymphatische System wie Aconitum auf das arterielle.

Ein überstürztes, hastiges, ängstliches Wesen sind Merkmale dieses Mittels. Man denkt an Mercurius bei allen Kranken, die ungesund aussehen, schwach sind, zittern, reichliche, klebrige Schweiße, die nicht erleichtern, stinkende, wundmachende, schleimig-eitrige Sekretion und beständiges Frösteln haben.

Literatur
Zurück zur Homöopathie-Seite
Zurück zur Homepage